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Detail

Forum G

Kultur als "vorpolitischer Raum"? Wie gesellschaftliche Auseinandersetzungen zunehmend die Kultur betreffen

Zeit 11:30 bis 12:30 Uhr

Gesprächsrunde
  • Olaf Zimmermann
    Geschäftsführer Deutscher Kulturrat
  • Sven Schoeller
    Oberbürgermeister der Stadt Kassel
  • Prasanna Oommen
    Moderation / Kommunikationsberaterin und Autorin
Moderation
  • Prasanna Oommen
    Moderation / Kommunikationsberaterin und Autorin
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Bunte Sprühkunst auf einer Wand in einer Unterführung. Christina Stausberg

Von Hochkultur bis Szene: Kultur in der Stadt ist vielfältig, ihre Aufgaben auch.

Schwerpunkt im Forum G

Wo stehen Kunst und Kultur in dieser gesellschaftlichen Lage? Ihr Anspruch ist, beides zugleich zu sein – Diskursraum für die Auseinandersetzung über gesellschaftliche Entwicklungen und der "Kitt", der die Gesellschaft zusammenhält. Können sie diesen Anspruch einlösen?

Thesen und Fragestellungen

  • Welche Rolle spielen Kunst und Kultur für den demokratischen Diskurs in der Stadt? Sie öffnen Diskursräume, beziehen Stellung und können so als Gegenspieler einer autoritären oder repressiven Politik wirken. Sie polarisieren aber auch und können Teile der Gesellschaft aus dem Diskurs ausschließen.
  • Haben Kunst und Kultur die Kraft, Diskursräume (wieder) für alle zu öffnen? Wie kann die kommunale Kulturpolitik den gesellschaftspolitischen Diskurs unterstützen und zu einer lebendigen Zivilgesellschaft als Basis für die Demokratie beitragen?
  • Wie weit reicht die Kunstfreiheit? Sie ist gerade in einer Zeit zunehmender autoritärer, nationalistischer und populistischer Bestrebungen ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Sie steht aber auch in einem Spannungsfeld mit anderen Rechtsgütern, insbesondere dem Schutz vor gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. 
  • Portrait Olaf Zimmermann, Geschäftsführer Deutscher Kulturrat

    "Kunst und Kultur sind nicht selten Stein des Anstoßes, sie bieten Auseinandersetzung und sind auch großartige Chance zur Gemeinschaftsstiftung. Sie sind der Katalysator, der notwendige Debatten befeuert."

    Olaf Zimmermann
  • Portrait Sven Schoeller, Oberbürgermeister der Stadt Kassel

    "Entscheidend für die Funktion kultureller Diskursräume als Quellen des Zusammenhaltes ist die Toleranz, dass unsere größte Gemeinsamkeit die Andersartigkeit ist."

    Sven Schoeller

Worum geht es?

Polarisierende Auseinandersetzungen prägen zunehmend die politische und gesellschaftliche Debatte in den Städten. Die Fliehkräfte in den Stadtgesellschaften wachsen. Globale und auch nationale Krisen, Corona und Krieg haben ihre Spuren in unseren Städten hinterlassen. Dies zeigt sich auch in den Wahlerfolgen populistischer Parteien.

Wo stehen Kunst und Kultur in dieser gesellschaftlichen Lage? Ihr Anspruch ist, beides zugleich zu sein – Diskursraum für die Auseinandersetzung über gesellschaftliche Entwicklungen und der "Kitt", der die Gesellschaft zusammenhält. Können sie diesen Anspruch einlösen?

80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nazi-Diktatur geraten die europäischen Demokratien zunehmend unter Druck. Mit Donald Trump ist in den USA ein populistischer Präsident gewählt worden. Auch in Deutschland sind extreme und populistische Kräfte erfolgreich. Corona-Pandemie, Klimakrise, Kriege in der Ukraine und in Nahost: Angst und Verunsicherung sind Treiber geworden. Sie begünstigen das Erstarken populistischer Kräfte und bescheren ihnen Wahlerfolge. Das nutzen Populist*innen mit dem Angebot scheinbar einfacher Lösungen aus. Hass und Hetze, Ausländerfeindlichkeit, Desinformation und die Ausbreitung von Verschwörungserzählungen sind die Folgen. Dazu trägt auch der Wandel in der Medienstruktur bei: Der Einfluss sozialer Medien verkleinert den Raum der öffentlich verantworteten Medienlandschaft, das Ende der gedruckten Presse zum Ende des Jahrzehnts wird befürchtet.

Welche offenen Räume für Innovation und gesellschaftliche Entwicklung brauchen wir darum als demokratische Gesellschaft und welche Rolle soll Kunst und Kultur hier einnehmen? Werden sie dem Anspruch gerecht, Diskursraum für gesellschaftliche Auseinandersetzungen zu sein oder sogar der "Kitt", der die Gesellschaft zusammenhält? Darf Kunst und Kultur zuspitzen und polarisieren – oder muss sie es sogar? 

Der Beitrag von Kunst und Kultur zur Stärkung der Demokratie

Kunst und Kultur wirken immer auch politisch. Unmittelbar, indem sie gesellschaftliche und politische Entwicklungen und Missstände zum Thema machen, oder die gesellschaftliche Debatte über aktuelle Themen und Fragen anstoßen. Mittelbar, indem sie dazu beitragen, Haltungen und Werte zu entwickeln. Kultureinrichtungen in der Stadt sind auch Orte interkultureller Begegnung. Theater, Bibliotheken, Museen, Archive, soziokulturelle Zentren und weitere kulturelle Bildungseinrichtungen greifen mit ihren Angeboten gesellschaftspolitisch relevante Themen auf, setzen sich künstlerisch damit auseinander und entwickeln Formate für Auseinandersetzung und Diskurs, so zum Beispiel Theaterproduktionen, Performances, Ausstellungskonzepte und Diskussionsveranstaltungen. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur politischen Willensbildung, zum demokratischen Konsens und zu einem friedlichen Zusammenleben. Die Kulturpolitik unterstützt diese demokratische Funktion, indem sie Kunst und Kultur unterstützt und stärkt und (Frei-)Räume für ihre Entfaltung verschafft. Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik.

"Richtige" Kultur?

Auch die Kultur selbst und ihre Akteur*innen sind Teile der Gesellschaft. Sie sind selbst einbezogen in die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung, und sie artikulieren ihre Positionen. Seit dem Angriffskrieg der Hamas auf Israel und dem Gaza-Krieg, aber auch wegen antisemitischer Exponate bei der documenta fifteen, muss sich der Kulturbetrieb selbst Fragen stellen und mit dem Vorwurf des Antisemitismus auseinandersetzen. Gleichzeitig tobt eine Art Kulturkampf um die “richtige” Kultur. Das Leitbild eines offenen, progressiv-liberalen Gesellschaftsmodells wird als Teil der kulturellen Identität ein geschlossenes Weltbild und eine konservative "Leitkultur" entgegengestellt. Aber auch im Namen von Vielfalt und Diversität wird Einfluss auf die Kultur genommen, ein Kunstwerk etwa als frauenfeindlich abgehängt oder ein Buch als "rassistisch" seinem historischen Kontext entkleidet.

Auch der Kulturbereich steht vor der Herausforderung, Polarisierung zu überwinden, Suchbewegungen zu ermöglichen und neue Brücken zu bauen, ein Angebot für alle Menschen zu machen. Dieses Ziel scheint in einer polarisierten Gesellschaft schwieriger zu realisieren. Wenn sich jedoch der Diskursraum schließt, steht die Möglichkeit für Verständigung und gemeinschaftliche Zukunftssuche auf dem Spiel.

Was darf Kunst?

Kunst, das hat die documenta fifteen gerade vor kurzem gezeigt, steht im Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und dem Schutz vor Diskriminierung oder vor gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Öffentliche Kultureinrichtungen haben die Aufgabe, Diskursräume für die Stadtgesellschaft zu öffnen. Gleichzeitig ist es ihre Aufgabe, grundgesetzlich geschützte Rechte zu wahren und Diskriminierungen Einhalt zu gebieten. Doch wo verläuft der Grat zwischen Kunstfreiheit und Gesinnungsprüfung? Wie abgewogen müssen kulturelle Beiträge sein, wie provokativ dürfen sie sein? Gibt es Leitlinien, an denen sich die Kulturakteur*innen orientieren können? Für die kommunale Kulturpolitik können sich hier schwierige Abwägungsfragen ergeben.

Vor allem angesichts der Zunahme antisemitischer Vorfälle ist eine Diskussion um eine stärkere Regulierung in der Kulturförderung entbrannt. Unbestritten ist, dass ein konsequentes Eintreten gegen Antisemitismus auch im Bereich von Kunst und Kultur erforderlich ist. Es bestehen jedoch erhebliche rechtliche und praktische Bedenken gegen formelle Regelungen im Zuwendungsrecht, die präventiv wirken sollen, zum Beispiel Antisemitismusklauseln in Förderbescheiden. Bei anderen Mitteln wie zum Beispiel Awareness-Teams oder Codes of conduct stellen sich Fragen nach ihrer Legitimität.

Gesprächsrunde

  • Portrait Olaf Zimmermann, Geschäftsführer Deutscher Kulturrat

    Olaf Zimmermann

    Geschäftsführer Deutscher Kulturrat
  • Portrait Sven Schoeller, Oberbürgermeister der Stadt Kassel

    Sven Schoeller

    Oberbürgermeister der Stadt Kassel
  • Prasanna Oommen

    Moderation / Kommunikationsberaterin und Autorin

Moderation

  • Prasanna Oommen

    Moderation / Kommunikationsberaterin und Autorin