Detail
Forum F
Zielscheibe Kommune: Gewalt gegen Kommunalpolitik und Verwaltung
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Markus Lewe
Oberbürgermeister der Stadt Münster und Präsident des Deutschen Städtetages -
Prof. Dr. Andreas Zick
Universität Bielefeld -
Daniela Behrens
Ministerin für Inneres und Sport des Landes Niedersachsen
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Angelika Henkel
Moderation

Bedrohungen, Beleidigungen: Im Netz werden kommunalpolitisch Engagierte zur Zielscheibe.
Schwerpunkt im Forum F
Beleidigungen, tätliche Übergriffe und Angriffe bei Wahlkampfveranstaltungen auf Kommunalpolitikerinnen und -politiker nehmen zu. Viele erwägen, ihr kommunalpolitisches Engagement einzustellen oder werden krank. Ohne aktive Mitwirkung vor Ort droht unsere Demokratie von unten auszutrocknen.
Thesen und Fragestellungen
- Mit welchen Maßnahmen können wir verhindern, dass kommunal engagierte Menschen, Rettungsdienste, Ordnungsdienste und Verwaltungsmitarbeitende Opfer von Anfeindungen und Übergriffen werden? Wie kann eine Gesamtstrategie aussehen, die die einzelnen Instrumente der Präventivmaßnahmen und Aufklärungsarbeit bündelt?
- Warum ist es so schwierig, Gewalt gegen Kommunalpolitikerinnen und -politiker zu verhindern? Müssen wir uns eingestehen, dass wir uns von alten Vorstellungen lösen müssen und Kommunalpolitikerinnen und -politiker heute nicht mehr frei bewegen können?
- Wen und was braucht es hierfür? (Rechtsrahmen, Maßnahmen politische Bildung, Zivilcourage stärken, Veranstaltungen in Schulen)
- Wie erreichen wir Menschen, die den Diskurs nicht führen, sondern im Grunde nur vergiften wollen?
Worum geht es?
Es ist alarmierend: Beleidigungen, tätliche Übergriffe und Angriffe bei Wahlkampfveranstaltungen auf Kommunalpolitikerinnen und -politiker nehmen zu. Anfeindungen im Netz und Hassmails sind keine Einzelfälle. Rettungskräfte, Ordnungsdienste und Verwaltungsmitarbeitende quer durch alle Bereiche erleben inzwischen ebenfalls fast täglich Bedrohungen und Beleidigungen bis hin zu tätlichen Angriffen.
Viele erwägen, ihr kommunalpolitisches Engagement einzustellen oder werden krank. Das gefährdet die Funktionsfähigkeit von Kommunalpolitik und -verwaltung – und unsere Demokratie. Ohne aktive Mitwirkung vor Ort droht unsere Demokratie von unten auszutrocknen.
Engagement für das Gemeinwohl: Ein unschätzbarer Wert
Vor Ort engagieren sich Menschen haupt- und ehrenamtlich für ihre Stadt und die demokratischen Grundlagen unseres Miteinanders. Kommunen bilden das Fundament unseres Gemeinwesens, hier werden die Grundlagen und Regeln für unser Zusammenleben gestaltet. Hier werden Entscheidungen getroffen, die unmittelbar unsere Lebensrealität beeinflussen – sei es in der Bildung, der Infrastruktur, der sozialen Versorgung oder im Umweltschutz. Kommunen sind nicht nur Verwaltungseinheiten, sondern auch Orte des sozialen Zusammenlebens und der Gemeinschaft. Menschen, die sich politisch in der Kommune engagieren oder in den Kommunalverwaltungen arbeiten, leisten täglich einen unschätzbaren Beitrag für das Gemeinwohl. Ohne diese Basis ist unser demokratisches Gemeinwesen nicht denkbar.
Zu beobachten ist eine alarmierende Entwicklung: Über ein Drittel aller Amtsträgerinnen und Amtsträger haben Erfahrungen mit Verleumdungen, Anfeindungen und Gewaltandrohungen gemacht – häufig anonym im Netz, aber immer häufiger auch auf offener Straße. Bei den Beschäftigten der Verwaltung sind es sogar 42 Prozent. Es ist von einem hohem Dunkelfeld auszugehen, da viele Betroffene nicht direkt oder keine Anzeige erstatten. Das kommunale Monitoring des Bundeskriminalamts zu Hass, Hetze und Gewalt gegenüber kommunalen Amtsträgerinnen und Amtsträger bestätigt diese Entwicklung.
Nähe macht verwundbar
Es ist erschreckend, dass Menschen, die sich für andere einsetzen, zur Zielscheibe werden. Kommunalpolitik und Verwaltung sind bürgernah und unmittelbar. Sie sind jeden Tag für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort da. Diese Nähe macht verwundbar und wird zum Problem. Bedrohungen und Angriffe auf das private Umfeld insbesondere von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sind ebenfalls keine Seltenheit mehr.
Das macht etwas mit den betroffenen Menschen. Nicht wenige überlegen, sich aus der Kommunalpolitik zurückzuziehen. Das hat aber nicht nur gravierende Folgen für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Funktionsfähigkeit der Kommunalpolitik und Verwaltung. Wenn sich immer weniger Menschen kommunalpolitisch engagieren oder für das örtliche Gemeinwesen arbeiten, ist das ein Angriff auf die Basis unseres demokratischen Miteinanders.
Was sind die Ursachen?
Der Respekt vor der Demokratie und den Repräsentanten des Staates schwindet. Die Akzeptanz und Billigung von Gewalt zur Durchsetzung von politischen Interessen nehmen zu. Die Grenzen des Sagbaren verschieben sich; Normen und Wertvorstellungen brechen weg. Der öffentliche Diskurs und die Sprache werden immer rauer. Befeuert wird dies durch soziale Medien, in denen extremistische Meinungen verstärkt werden. Die Gesellschaft polarisiert sich zunehmend.
Jede Bedrohung, jede Beleidigung, jeder körperliche Angriff zielt darauf ab, den politischen Diskurs zu stören und Menschen, die sich für unser Gemeinwohl einsetzen, zum Schweigen zu bringen. Kommunalpolitikerinnen und -politiker, aber auch Verwaltungsmitarbeitende sowie Rettungskräfte sind oft Projektions- und Angriffsfläche für politisch Unzufriedene, stellvertretend für die Bundes- und Landespolitik.
Was können wir der Entwicklung entgegensetzen?
Diese Angriffe schweigend hinzunehmen, ist keine Option. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, diese Menschen zu schützen und ihre Arbeit zu unterstützen. Kommunalpolitisches Engagement und Arbeit für das Gemeinwohl verdient mehr Wertschätzung in der Gesellschaft.
Das Problembewusstsein ist da, einiges ist umgesetzt. Beratungsstellen oder Meldeportale wie "Stark im Amt" und die "starke Stelle" unterstützen betroffene Kommunalpolitikerinnen und -politiker niedrigschwellig. Einzelne Strafrechtsverschärfungen sind auf den Weg gebracht.
Die Städte versuchen, die Gefahren für ihre Beschäftigten zu minimieren, Gefahrenquellen zu identifizieren und zu entschärfen. Die Maßnahmen reichen von Verhaltensregeln und Fortbildungsmaßnahmen für die Beschäftigten, Hausverboten bei auffällig gewordenen Personen bis hin zu baulichen Veränderungen in den Rathäusern.
Um jedoch wirksam gegenzusteuern, braucht es mehr als einzelne Maßnahmen. Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz aus Prävention und Repression. Politische Bildung muss gestärkt, Demokratie und Föderalismus besser erklärt und ein respektvoller Umgang gefördert werden. Angriffe und Diffamierungen auf Menschen, die sich für unser Gemeinwesen einsetzen, dürfen nicht verharmlost, sondern müssen konsequent strafrechtlich verfolgt und geahndet werden.
Gesprächsrunde
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Markus Lewe
Oberbürgermeister der Stadt Münster und Präsident des Deutschen Städtetages -
Prof. Dr. Andreas Zick
Universität Bielefeld -
Daniela Behrens
Ministerin für Inneres und Sport des Landes Niedersachsen
Moderation
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Angelika Henkel
Moderation