Detail
Forum E
Zukunft der Klimapolitik: Sind wir noch zu retten?
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Dr. Roda Verheyen
Rechtsanwältin und Richterin des Hamburgischen Verfassungsgerichts -
Uli Burchardt
Oberbürgermeister der Stadt Konstanz -
Carla Reemtsma
Sprecherin Fridays for Future
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Gregor Schnittker
Moderation

Dürre und Starkregen: Der Klimawandel macht sich immer stärker bemerkbar.
Schwerpunkt im Forum E
2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Doch den Bundestagswahlkampf haben statt Klimakrise und Klimaschutz andere Themen dominiert. Rechtsanwältin Roda Verheyen hat 2021 vor dem Bundesverfassungsgericht das richtungsweisende Klimaurteil erstritten. Oberbürgermeister Uli Burchardt und die Stadt Konstanz haben 2019 als deutschlandweit erste Kommune den Klimanotstand ausgerufen. Carla Reemtsma hat im gleichen Jahr zum Klimastreik aufgerufen und vertritt Fridays for Future als Sprecherin. Wir wollen mit ihnen darüber sprechen, wie eine dauerhaft erfolgreiche Klimapolitik aussehen kann, was die Städte brauchen, um klimaneutral zu werden und wie wir die Menschen auf diesem Weg mitnehmen.
Thesen und Fragestellungen
- Die städtische Perspektive: Mit ambitionierten Zielen, kommunalen Konzepten und maßgeschneiderten Lösungen vor Ort setzen sich die Städte seit langem für den Klimaschutz ein. Wie können die Städte in Zeiten schwieriger Kommunalfinanzen weiter Vorreiter für den Klimaschutz bleiben?
- Die Perspektive von Bund und Ländern: Infrastrukturen sind langfristig angelegt und kostenintensiv. Im "Start-Stopp-Betrieb" kann ein grundlegender Umbau der Energieinfrastruktur nicht gelingen. Wie können verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden?
- Die gesellschaftliche Perspektive: Die Energiewende verlangt uns mehr ab als technische Lösungen. Denn der Umbau des Energiesystems verändert unsere Landschaften, hinterfragt lieb gewonnene Gewohnheiten und stellt Gerechtigkeitsfragen. Wie können Mehrwerte geschaffen sowie Lasten und Nutzen des Klimaschutzes ausgewogen verteilt werden?
Bekenntnis zu den Klimazielen – reicht das?
Deutschland (2045) und die Europäische Union (2050) haben klare Zeitziele zur Erreichung der Klimaneutralität verankert. An diesen Klimazielen will auch eine neue Bundesregierung festhalten. Das ist ein wichtiges Signal. Zugleich erleben wir Debatten, ob es nicht besser sei, den Klimaschutz ein bisschen an die Seite zu schieben und unsere Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Der Städtetag hat sich stets zu den Klimazielen bekannt. Der Klimawandel bedroht die Lebensqualität der Menschen und unsere Zukunft. Nur wenn jetzt eine globale Trendwende bei den Treibhausgasemissionen eingeleitet wird, sind die Pariser Klimaziele überhaupt noch in Reichweite. Viele Städte haben sich selbst ambitionierte Klimaziele gesetzt. Das ist vor Ort insofern keine Frage des Wollens. Es ist zuallererst eine Frage der Mittel. Da geht es um finanzielle Ressourcen. Aber es geht auch um ganz praktische Fragen: Woher kommen all die notwendigen Fachkräfte, wie werden die Baustellen gemanagt werden und wie schnell können Genehmigungen erteilt werden?
Und es geht um Akzeptanz: Auch für die Menschen sind der Klimaschutz und die Bereitschaft, etwas dafür zu tun, weiter nach hinten gerückt. Wie erreichen wir also die Klimaziele angesichts einer gesellschaftlich veränderten Grundstimmung, wirtschaftlicher Stagnation und einer angespannten kommunalen Finanzsituation?
Strom, Wärme, Mobilität – Sektoren der Energiewende
Wärmewende, Verkehrswende und der Gebäudebereich sind die zentralen Hebel, um CO2 wirksam zu reduzieren. In den einzelnen Sektoren sieht die Klimabilanz sehr unterschiedlich aus. Während der Stromsektor einen überproportionalen Beitrag zur Treibhausgasminderung leistet, verfehlen der Gebäude- und Verkehrsbereich regelmäßig ihre Einsparziele. In der Summe zeigt der Projektionsbericht 2024 zwar, dass das 2030er-Ziel (Reduktion in Höhe von 65 Prozent) in greifbare Nähe rückt. Hinter das Ziel von 15 Millionen Elektroautos und sechs Millionen Wärmepumpen bis 2030 dürften allerdings Fragezeichen zu machen sein. Auch das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 droht, verfehlt zu werden. Im Klimaschutzgesetz wurden die verbindlichen Zielverpflichtungen für einzelne Sektoren gestrichen, was als Aufweichung des Klimaschutzes heftig kritisiert wurde.
Anreize und Regulierung – von beidem genau ausreichend viel
Mit der beschlossenen Aufstockung des Klima- und Transformationsfonds (KTF), dem Bekenntnis zur CO2-Bepreisung als zentralem Baustein der Klimapolitik und gleichzeitig einer "Abschaffung des Heizungsgesetzes" besteht aktuell ein unklares Bild, wie es beim Klimaschutz weitergeht. Für die Städte ist die kommunale Wärmeplanung der Schlüssel für die Wärmewende und das Erreichen der Klimaziele. Der Start mit dem sogenannten Heizungsgesetz war holprig, aber mittlerweile sind die Grundlagen gelegt, damit die klimaneutrale Wärmeversorgung gelingen kann. Das Ziel steht: Die kommunale Wärmeplanung in Städten ab 100.000 Einwohnern muss bis Mitte 2026 fertig sein. Nachdem der Koalitionsvertrag eine "Abschaffung des Heizungsgesetzes" und die Vereinfachung der Wärmeplanung vorsieht, stellt sich Frage, unter welchen Rahmenbedingungen die Städte ihre Planungen zum Abschluss bringen sollen. Hier brauchen die Städte, die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen schnell Klarheit und Planungssicherheit. Ein Gesetz an der einen oder anderen Stelle nachzubessern ist normal, aber eine 180-Grad-Kehrtwende würde großes Durcheinander schaffen.
Klimaschutz als soziale Frage?
Auch wenn der CO2-Preis ein wirksamer Hebel für den Klimaschutz ist, bei den Menschen darf nicht nur ankommen, dass alles teurer wird. Gerade einkommensschwache Haushalte sind überproportional betroffen. Die neue Bundesregierung will Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar von den hohen Energiekosten entlasten. Dazu soll insbesondere die Stromsteuer für alle auf das EU-rechtliche Minimum abgesenkt werden. Ferner sieht der Koalitionsvertrag für besonders belastete Haushalte die Nutzung von Mitteln des Europäischen Klimasozialfonds und sozial gestaffelte Entlastungen vor. Diese Entlastungen sind wichtig. Wichtig bleibt aber vor allem, dass die Mittel des KTF und des europäischen Klimasozialfonds insbesondere dafür genutzt werden, zielgenaue Entlastungen zu finanzieren und die notwendigen Investitionen für den Infrastrukturausbau ermöglichen.
Was brauchen die Städte?
Die Städte stehen vor einem gigantischen Umbau ihrer Energieinfrastruktur: Millionen Wärmepumpen und E-Fahrzeuge erfordern ein stabiles und intelligentes Stromnetz. Wärmenetze müssen ausgebaut und dekarbonisiert werden, Gasnetze transformiert, stillgelegt oder gar zurückgebaut werden. Für das Megaprojekt Energiewende sind in den kommenden Jahren und Jahrzehnten Investitionen in Milliardenhöhe notwendig. Laut Fortschrittsmonitor des bdew und VKU liegt das notwendige Investitionsvolumen allein bis 2030 in einer Größenordnung von 721 Milliarden Euro. Das Sondervermögen, insbesondere die Mittel für den Klima- und Transformationsfonds sind ein großer Wurf. Aber auch mit dem Sondervermögen stellen sich weiterhin strukturelle Finanzierungsfragen.
Die erfolgreiche Umsetzung kann nur gelingen, wenn dem Transformationsprozess durch kohärente Ziele und Strategien, verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen mit beschleunigten Verfahren, eine gesicherte Finanzierung durch öffentliche und privatwirtschaftliche Akteure sowie eine Orientierung gebende Kommunikation Vorschub geleistet wird. Zudem gilt es, Gerechtigkeitsfragen zu adressieren und Klimaschutz gemeinwohlorientiert auszugestalten, beispielsweise durch Weiterführung des Deutschlandtickets und Einführung eines sozial ausgerichteten Klimageldes.
Gesprächsrunde
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Dr. Roda Verheyen
Rechtsanwältin und Richterin des Hamburgischen Verfassungsgerichts -
Uli Burchardt
Oberbürgermeister der Stadt Konstanz -
Carla Reemtsma
Sprecherin Fridays for Future
Moderation
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Gregor Schnittker
Moderation